Weinreb Stiftung

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Zürcher Jahre

Weinreb

Mit seiner erst noch provisorischen, 1973 dann endgültigen Übersiedlung nach Zürich beginnt für Weinreb, wie er in seiner Autobiographie schreibt, «eine neue Lebensphase. Ich konnte mich zum ersten Mal ganz meiner Freude mit der sich immer neu und weiter öffnenden Thora widmen».

Sein zweites Buch, «Ik die verborgen ben», 1967, erschien schon ein Jahr später als «Die Rolle Esther» in deutscher Ausgabe. Es folgen «Die Symbolik der Bibelsprache», 1969, «Das Buch Jonah», 1970, «Die jüdischen Wurzeln des Matthäus-Evangeliums», 1972. Schon daran zeigt sich das große Interesse, das ihm aus dem deutschen Sprachraum entgegengebracht wird, wo man ihn ab 1966 ständig zu Vorträgen und Tagungen einlädt.

In Zürich, Basel und Bern finden regelmäßige Vortragskurse statt, wo Weinreb, zum Teil über Jahre hin, unter anderem jedes der vier Evangelien, die Apostelgeschichte, die Paulusbriefe und die Offenbarung des Johannes ausführlich bespricht. Die großen kirchlichen Institutionen der Erwachsenenbildung, Universitäten, kulturelle Einrichtungen, Bildungshäuser, Seminarzentren, aber auch das Ulmer Theater in der Westentasche, Lehrerbildungseinrichtungen, Gymnasien, esoterische Kreise, Klöster in Deutschland, der Schweiz und in Österreich laden Weinreb zum Sprechen ein. Seine Energie scheint ebenso unerschöpflich wie die Themen, über die er spricht. «Gedanken über den Tod im Weltbild der jüdischen Überlieferung» heißt sein Vortragsthema bei einem Colloquium 1980 im Centro Internationale di Studi Umanistici in Rom; mehrfach ist er Redner beim Engadiner Kollegium in St.Moritz, wo er zum Beispiel über «Die Befreiung des Menschen in religiöser Sicht» spricht, oder beim «Steirischen Herbst» in Graz, wo er unter anderem einen Vortrag: «Die Namen Gottes und ihr Sinn» hält. Auch Karlfried Dürckheim lädt ihn zu mehreren Vorträgen in die Existentialpsychologische Begegnungsstätte nach Todtmoos-Rütte ein.

Im Laufe der Jahre entsteht durch Weinrebs Sprechen, das vollständig auf den modernsten Tonträgern dokumentiert ist, tatsächlich eine neue «Anthropologie und Psychologie aufgrund biblischer Wirklichkeiten», wie es einmal als Vortragsthema formuliert wurde.

Rundfunkanstalten in Deutschland, der Schweiz und vor allem in Österreich verbreiten seine Vorträge. Große Publikumsverlage geben einige seiner Werke in Taschenbuchform heraus. So erscheint in Rowohlts deutscher Enzyklopädie 1978 eine Auswahl aus seinen Schriften mit dem Titel «Zahl, Zeichen Wort. Das symbolische Universum der Bibelsprache» (Neuausgabe im Verlag der Friedrich Weinreb Stiftung). Der Herausgeber Ernesto Grassi, damals Philosophieprofessor an der Maximilian Universität in München schreibt dazu im Vorwort: «Es geht uns vor allem darum, eine von theologischen und philosophischen Auffassungen gänzlich abweichende Denk-, Lese- und Erlebnisweise des biblischen Textes vorzustellen. Gerade die jüdische Überlieferung und die Struktur der hebräischen Sprache sind geeignet, zu jenem Ursprung des Wortes zu führen, der in früheren Zeiten noch eingesehen, heute aber fast ganz vergessen worden ist.»

1979 erscheint in der Herderbücherei «Buchstaben des Lebens» (Neuausgabe im Verlag der Friedrich Weinreb Stiftung), wo Weinreb von den 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets erzählt. «Kabbala im Traumleben des Menschen» ist der Titel der in Diederichs Gelber Reihe erschienenen Paperback-Ausgabe von Weinrebs vierbändigem «Traumleben. Überlieferte Traumdeutung», 1979-1981.

1980 wird in Zürich die Friedrich Weinreb Stiftung gegründet, um das Werk des Stifters zu bewahren und zu verbreiten. Bücher und Vorträge Friedrich Weinrebs bilden einen einzigartigen Bestand biblischer, jüdischer und damit auch christlicher Überlieferung in der Sprache unserer Zeit. Damit ist, wie es Weinreb in «Schöpfung im Wort» formuliert, «der Weg zurück zu den verlorengegangenen Gewißheiten» gebahnt, der Zugang zu den seit der Aufklärung verschütteten Quellen der Bibel wieder freigelegt, und der Mensch «wird von hier aus in eine andere Welt blicken können».

Friedrich Weinreb starb am 19. Oktober 1988. Seine Hinterlassenschaft enthält nicht nur die Wiederentdeckung der Bibel als Lebensraum des Menschen, sondern auch das dazugehörige umfangreiche autobiographische Zeugnis des Autors. Als orthodox lebender Jude ist er zum «Menschen», zum göttlichen Bewusstsein des Menschen, durchgebrochen , wobei er den «Bund» (Altes Testament) und den «erneuerten Bund» (Neues Testament) als untrennbare Einheit erfahren hat. Er lebte und erlebte sein chassidisch geprägtes Judentum und das Christliche aus der Wurzel des biblischen Wortes.

Was ist dieses Neue, Umwälzende, das in allen Vorträgen und Schriften Weinrebs Hörer und Leser so unmittelbar und tiefgehend berührt?

Weinreb selbst hat darauf eine treffende Antwort gegeben, als er einmal äußerte: «Ich versuche nicht, die Bibel von der Welt her zu verstehen, sondern ich versuche umgekehrt, die Welt von der Bibel her zu verstehen.»

Wie lebendig und aktuell Weinrebs Werk nach wie vor ist, zeigte sich anlässlich des im Jahre 2010 an verschiedenen Tagungen gefeierten 100jährigen Geburtstagjubiläums. Rundfunksender aus Deutschland, Österreich und der Schweiz berichteten darüber.

Breit war auch das Medienecho mit Texten in religiösen und spirituellen Zeitschriften.

Die NZZ nannte ihn in einem Artikel den «Zürcher Kabbalisten».

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