Weinreb Stiftung

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Liebhaber des Wortes



Christian Schneider ist am 18. November 2010 verstorben. Er gründete den Thauros Verlag zur Herausgabe der Bücher von Friedrich Weinreb und war zuletzt als Herausgeber der Weinrebbücher im Stiftungsverlag und als Stiftungsrat tätig. Eine Würdigung.



«Spuren der Tage des Himmels auf Erden» - diese  Worte stehen auf der Geburtstagsschrift, die Antonie ihrem Mann Christian Schneider im vergangenen Jahr zu seinem 65. Geburtstag widmete. Es sind Spuren voller Buchstaben, die Christian selber notierte  - als Worte und als Texte. Es sind poetische Texte, manche lesen sich wie Gebete, wie ein Hören aus dem Ewigen und ein Sprechen zum Heiligen. Christian und Antonie haben sich oft gegenseitig Geschichten vorgelesen. Als ich das hörte, hat mich das berührt. Mund und Ohr. Sprechen und hören. Beide als eine Einheit. Das  kam mir wie eine Liebkosung vor - Tage des Himmels auf Erden.

Christian Schneider ist ein Liebhaber des Wortes und des Buches. Man kann sagen, er ist ein Wort- und ein Buchmensch. Die Sprache ist seine Heimat und das Buch ein Ort seines Lebens. Als er in den Siebzigerjahren Friedrich Weinreb hörte, muss das für ihn auch eine Liebkosung gewesen sein. Er hörte die Sprache seiner Heimat sprechen. Fortan war es um ihn geschehen.

Fast wöchentlich kam er von München, wo er für einen grossen Verlag arbeitete, zu Weinrebs Vorträgen nach Zürich.  Es dauerte nicht lange und er zog nach Zürich. Dort setzte er sich für Weinrebs Vortragstätigkeit ein und  nach einiger Zeit, wen wunderts, wurde er 1978 mit der Gründung des Thauros Verlages zum Verleger von Weinrebs Büchern. Ein Traum, ein Kindheitstraum ging für ihn in Erfüllung. Der Traum, die Worte verlegen zu dürfen, die ihn selbst berührten und bewegten, die ihm am Herzen lagen. Selber sagte er dies so:

«Schon als Kind habe ich  von Büchern geträumt, die den Leser zum neuen Columbus machen, der sein Zeitalter der Entdeckung erlebt. Der Leser, wenn er es denn wagt, als Autor: Hören und Sprechen, Lesen und Schreiben, Empfangen und Überliefern im unerschöpflichen Beziehungsgeflecht des Wortes».

Später erzählte er einmal, wie es ihm beim Hören von Weinreb ergangen ist. Wie er sich jeweils wie in der Höhle von Schimon bar Jochai fühlte, der mit seinen Anhängern sich von den Römern in eine Höhle zurückzog und dort mit seiner Gemeinschaft die Worterzählungen zu jedem Satz, ja zu jedem Wort und Buchstaben der Bibel vernahm. So, wird erzählt, entstand der Sohar, das zentrale Buch der Kabbala - Sohar, was Glanz, strahlendes Licht bedeutet - auch Spuren des Himmels auf Erden.

Aus dem Hörerleben mit Weinreb schöpfte Christian Schneider neuen Atem für seine künftige Tätigkeit. Sie bestand darin, Weinrebs Worte in Bücher zu verlegen. Als Verleger war es ihm ein Anliegen, das, was er beim Hören von Weinreb erlebte, auch anderen Menschen in Schriftform zugänglich machen zu können. Und das ist ihm auch gelungen. Dutzende von Textfassungen zeugen davon. Immer ging es ihm um eine einfache, verständliche Lesbarkeit, die das gehörte Erlebnis nachvollziehen lässt. Sprachlich stellt das hohe Anforderungen. An seinen Textfassungen erkennt man ein feines, achtsames Sprachvermögen und auch Sprachvergnügen.

Weinrebs Sprechen führte auch Menschen zusammen. Als eines Tages Antonie als Weinreb-Hörerin erschien, war es um ihn ein zweites Mal geschehen. Sie heirateten, gründeten eine Familie und führten fast 30 Jahre lang in Weiler im Allgäu sozusagen als Familienunternehmen den Thauros Verlag. Dutzende von fein gemachten Büchern gab er heraus.Traumleben war eines der ersten. Später ist es auch von deutschen Grossverlagen verlegt worden. Viele Bücher folgten dem Traumleben nach. Darunter auch Kunstbücher mit Bilder von Künstlern und Weinrebtexten. Weinrebs Hauptwerk «Schöpfung im Wort» brachte er 1994 auf deutsch heraus. Zuletzt arbeitete er mit grosser Freude an einem weiteren Hauptwerk von Weinreb, «Das Opfer in der Bibel», das das Näherkommen zu Gott erzählt. In der Arbeit an diesem Buch kreuzten sich Wege seines Lebens. Schon gezeichnet von seiner Krankheit erlebte er das Geheimnis des Opfergeschehens. Bis zuletzt arbeitete er daran. Er wollte es auf die Reichenautagung hin vorlegen können. Und er konnte die Bindung des Buches noch im Spitalbett erleben und so durfte er es vollenden.

Gleichzeitig arbeitete er noch an einem weiteren, seinem eigenen Buch, das als Festschrift zum Jubiläumsjahr, Weinrebs hundertem Geburtstag,  gedacht war. Weinrebs Sprechen empfand er ganz im traditionell jüdischen Sinn als ein Sprechen im  Lehrhaus des Wortes. In diesem Lehrhaus war er nicht nur Empfangender, er war auch Gebender. Christians Reden und Texte waren immer von einem guten, freudigen Echo begleitet. In seinen Texten näherte er sich mit seiner Sichtweise Weinrebs Worten auf eine persönliche Art an und zeigte auf, was es in Weinrebs Werk alles immer wieder von Neuem zu entdecken gibt – gedacht auch als  eine Einladung an die Hörerin und den Leser das Gleiche zu tun. Nämlich zu staunen, welche Geheimnisse und Wunder das Wort birgt und verbirgt. Weinrebs Lehrhaus des Wortes hat in Schneiders Buch «Im Lehrhaus des Wortes» einen kundigen Vermittler gefunden.

Diese beiden letzten Bücher sind im Verlag der Friedrich Weinreb Stiftung herausgekommen, für den Christian Schneider seit dem Verkauf des Thauros  Verlages  im Jahre 2006 als Herausgeber wirkte.

Wir sind Christian dankbar für die glücklichen Stunden, die er uns mit den Weinreb Büchern beschert hat. Wie Friedrich Weinreb sich in seinen Worten verschenkte – im Schenken von ewigem Leben – so hat Christian Schneider diese Worte in Büchern weiterverschenkt.

Seine letztes Gedicht im Buch zu seinem 65. Geburtstag lautet:

«Welt im Gegenlicht. Du blinzelst, aber da ist nichts als Licht. Und im Augenschliessen fällt es ein: Berge und Täler, Hügel, Wiesen und Seen, Städte und Dörfer, Flüsse und Meere aus Licht, aus goldener Helle. Die Welt auf der Gegenseite. Was hier fehlt, ist dort in Fülle. Wenn es dich hier bedrängt, kommt es dir dort strahlend entgegen. Du beklagst das Weggehen? Dort kehrt es wieder.»
Dr. H. Ringger, Präsident Weinreb Stiftung



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